Der Kleinunternehmer wird europäisch

– Grundlegende Reformen durch das Jahressteuergesetz 2024 –

Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 hat der Gesetzgeber wesentliche Neuerungen des § 19 UStG zur Kleinunternehmerregelung beschlossen. Der Kleinunternehmer wird fortan europäisch. Ab 2025 kann die Kleinunternehmerregelung sowohl im Inland als auch im europäischen Gemeinschaftsgebiet angewandt werden. Wir stellen Ihnen mit diesem Fachbeitrag die Neuregelung vor und ordnen diese ein.

I. Reformen auf nationaler Ebene: Kleinunternehmer in Deutschland

Welche Regelungen gelten bis zum 31.12.2024 für den Kleinunternehmer?

Die aktuellen Schwellenwerte sind in § 19 UStG geregelt:

Der Umsatz zzgl. darauf entfallender Umsatzsteuer darf…

  • im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000 Euro und
  • im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 Euro

nicht übersteigen.

Welche Schwellenwerte gelten ab dem 01.01.2025?

  • Die Umsatzgrenze des vorangegangenen Jahres steigt auf 25.000 Euro.
  • Der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr darf maximal 100.000 Euro betragen.

Hinweis: Der Gesamtumsatz von 100.000 Euro darf in keinem Fall überschritten werden.

Sonderfall Betriebseröffnung: Die Umsatzgrenze von 25.000 Euro gilt bereits für das Jahr der Betriebseröffnung. Bei Überschreiten der 25.000 Euro Grenze, unterliegt der Betrag, mit welchem die Grenze überschritten wird, der Regelbesteuerung.

Kleinunternehmerumsätze sind ab 2025 nun auch laut Begriffsdefinition steuerfrei

Das bislang angewandte Prinzip des „nicht Erhebens“ der geschuldeten Umsatzsteuer wird ab 2025 neu definiert. Die Reform des § 19 Abs. 1 S. 1 UStG sorgt dafür, dass der durch einen Kleinunternehmer erzielte Umsatz ab dem 01.01.2025 als steuerfrei zu klassifizieren ist und damit in der Konsequenz wie bisher vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 UStG).

Die Gesamtumsatzberechnung durch den neuen § 19 Abs. 2 UStG bleibt unverändert

Die bisher geltenden Regelungen aus § 19 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 UStG werden im neuen § 19 Abs. 2 UStG zusammengefasst. Die Umrechnung auf einen Jahresgesamtumsatz, wenn die berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt wurde, ist nicht mehr erforderlich. Ab dem 01.01.2025 ist nur der tatsächlich erzielte Gesamtumsatz entscheidend.

Fristen bei Option der Regelbesteuerung werden deutlich reduziert

Der wesentliche Vorteil der Kleinunternehmerregelung ist, dass Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer abführen müssen. Der Nachteil ist der dadurch möglicherweise entsagte Vorsteuerabzug.

Durch den § 19 Abs. 2 UStG a.F. gibt es jedoch die Option auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten und die Regelbesteuerung anzuwenden. Wird diese Option ausgeübt, verpflichtet sich der Unternehmer für mindestens fünf Jahre, die Regelbesteuerung anzuwenden. Ab 2025 ist diese Option in § 19 Abs. 3 UStG geregelt und enthält Verschärfungen zu den bisher geltenden Fristen.

Im Zuge des Wachstumschancengesetzes vom 27.03.2024 wurde für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2023 enden, also insbesondere für den Besteuerungszeitraum 2024, eine Änderung des § 19 Abs. 2 UStG verabschiedet (vgl. § 27 Abs. 39 UStG in Verbindung mit BGBl. 2024 I Nr. 108 Art. 23 Nr. 5b). Der maßgebliche Zeitpunkt für den Verzicht war nach der Gesetzesänderung – statt wie bisher bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung – fortan der Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres. Wird demnach für den Besteuerungszeitraum 2024 von der Option zum Verzicht Gebrauch gemacht, ist der Verzicht bis zum 31.12.2026 gegenüber dem Finanzamt zu erklären.

Hinweis: Der § 27 Abs. 39 UStG sieht Änderungen für den Besteuerungszeitraum 2024 vor, tritt aber selbst erst zum 01.01.2025 in Kraft (Art. 23,35 WachstChG). Artikel 23 WachstChG bleibt durch das am 01.01.2025 in Kraft getretene Jahressteuergesetz 2024 unberührt.

Mit dem Jahressteuergesetzes 2024 verringert sich ab 2025 die Frist zum Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nochmals. Ab dem 01.01.2025 muss der Verzicht bereits bis Ablauf des letzten Tages des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres erklärt werden (vgl. Art. 25 Nr. 17 JStG 2024 in Verbindung mit BGBl. 2024 I Nr.387). Für den Besteuerungszeitraum 2025 wäre dies beispielsweise der 28.02.2027.

Verschärfung beim Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung

Im § 19 Abs. 3 S. 1 UStG ist neu geregelt, dass ein einmalig erklärter Verzicht auf die Optionsmöglichkeit – für fünf Jahre – unwiderruflich ist. Es ist daher zu empfehlen, die Option sorgfältig zu prüfen, da die Erklärung zum Verzicht nicht mehr so schnell zu widerrufen ist.

Hinweis: Ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kann auch konkludent erfolgen, indem z. B. eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben wird.

II. Reformen auf internationaler Ebene: Kleinunternehmer in der Europäischen Union

Kleinunternehmerregelung gilt ab 2025 auch auf europäischer Ebene

Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2024 hat der Gesetzgeber den neuen § 19 Abs. 4 UStG verabschiedet. Fortan können auch ausländische Unternehmer die Kleinunternehmerregelung in Deutschland anwenden. Dies erfolgt unter der Bedingung, dass zwei zusätzliche Anforderungen erfüllt werden:

  1. Der ausländische Unternehmer darf einen Jahresumsatz von 100.000 Euro im vergangenen und im laufenden Kalenderjahr nicht überscheiten (vgl. Art. 288 der EU-Richtlinie 2006/112/EEG)
  2. Im Land der Ansässigkeit muss eine gültige Kleinunternehmeridentifikationsnummer erteilt worden sein

Die Umsätze in Deutschland bleiben weiterhin steuerfrei solange der Gesamtumsatz im Gemeinschaftsgebiet den Grenzbetrag von 100.000 Euro sowie den Grenzbetrag von 25.000 Euro für in Deutschland ansässige Unternehmer nicht überschreitet.

Beispiel: Ein in Tschechien ansässiger Unternehmer erzielt in Polen 24.000 Euro Umsatz, in Belgien 26.000 Euro Umsatz und in Deutschland einen Umsatz von 20.000 Euro.
Lösung: Der Gesamtumsatz im Gemeinschaftsgebiet beträgt 70.000 Euro und liegt somit unterhalb der Grenze von 100.000 Euro. Auch der in Deutschland erzielte Umsatz überschreitet die geltende Grenze von 25.000 Euro für ortsansässige Kleinunternehmer nicht. Nach § 19 Abs. 4 UStG kann der ausländische Unternehmer somit von der deutschen Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen. Der in Deutschland erwirtschaftete Umsatz von 20.000 ist demnach steuerfrei (§ 19 Abs. 1. S. 1 UStG). Bei der Erklärung gegenüber dem Finanzamt muss die in Tschechien zugewiesene Kleinunternehmer-Identifikationsnummer genutzt werden.

Hinweis: Die inländische und die europäische Kleinunternehmerregelung existieren parallel. So kann es dazu kommen, dass die inländische Kleinunternehmerregelung angewandt werden kann, die unionsweite Regelung hingegen nicht oder umgekehrt. Dies liegt an den unterschiedlichen Schwellenwerten der einzelnen Länder.

Optionsmöglichkeit auch für europäische Kleinunternehmer anwendbar

Die Verzichtserklärung für ausländische Kleinunternehmer ist in § 19 Abs. 5 UStG geregelt. Auf folgende Besonderheiten ist zu achten:

  • Der Verzicht ist gegenüber der Finanzbehörde des Ansässigkeitsstaates zu erklären.
  • Im Gegensatz zu deutschen Unternehmern können ausländische Unternehmer nur zukünftig und nicht rückwirkend auf die Kleinunternehmerregelung verzichten.
  • Fristen zur Abgabe der Verzichtserklärung: „Der Verzicht wird von Beginn des auf den Eingang der Verzichtserklärung folgenden Kalendervierteljahres an wirksam. Geht die Verzichtserklärung im letzten Monat eines Kalendervierteljahres ein, wird der Verzicht von Beginn des zweiten Monats des folgenden Kalendervierteljahres wirksam“ (vgl. § 19 Abs. 5 UStG).

Beispiel: Ein Unternehmer aus den Niederlanden verzichtet am 25.01.2025 auf die Kleinunternehmerregelung: Der Verzicht tritt ab dem 01.04.2025 in Kraft.

Erfolgt der Verzicht jedoch im letzten Monat des auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalendervierteljahres z. B. am 25.03.2025, ist der Verzicht erst einen Monat später ab dem 01.05.2025 wirksam (§ 19 Abs. 5 S. 3 UStG).

Abgabe Verzichtserklärung im … Wirksamkeit des Verzichts ab …
Januar, Februar
März
01.04.
01.05.
April, Mai
Juni
01.07.
01.08.
Juli, August
September
01.10.
01.11.
Oktober, November
Dezember
01.01.
01.02.

III. Nutzung der Steuerfreiheit als Kleinunternehmer im europäischen Gemeinschaftsgebiet

Einführung eines neuen Meldeverfahrens (§ 19a UStG) zur Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung im europäischen Ausland

Auch umgekehrt gilt: Der deutsche Kleinunternehmer darf die Steuerfreiheit in anderen Mitgliedsstaaten der EU nutzen. Die Teilnahme am neuen Meldeverfahren ist dazu zwingend erforderlich und erfolgt über das Online-Portal des Bundeszentralamts für Steuern („BOP“). Folgende weitere Voraussetzungen müssen noch erfüllt werden:

  1. Der Gesamtumsatz im Gemeinschaftsgebiet darf im Vorjahr und im laufenden Kalenderjahr den Grenzwert von 100.000 Euro nicht überschreiten.
  2. Die nationalen Anforderungen des Ziellandes an einen Kleinunternehmer müssen eingehalten werden unter Beachtung neuer Umsatzgrenzen.
  3. Der Unternehmer darf nur in Deutschland als Kleinunternehmer registriert sein.

Auswahl nationaler Umsatzgrenzen in anderen EU-Staaten (bis 31.12.2024):

Belgien: 25.000 Euro
Dänemark: 50.000 DKK (ca. 6.726 Euro)
Estland: 40.000 Euro
Finnland: 20.000 Euro Vorjahresumsatz (ab 01.01.2025)
Griechenland: 10.000 Euro (Lieferungen) und 5.000 Euro (Dienstleistungen)
Irland: 75.000 Euro (Lieferungen) und 37.500 Euro (Dienstleistungen)
Italien: 85.000 Euro
Luxemburg: 50.000 Euro Vorjahresumsatz (ab 01.01.2025)
Frankreich: Umsatzgrenzen im vorherigen Kalenderjahr: 85.800 Euro (Lieferungen von Gegenständen und Verkäufen zum Verbrauch an Ort und Stelle oder aus Beherbergungsleistungen); 34.400 Euro (andere Umsätze).

Genehmigung zur Steuerbefreiung erfolgt durch das Zielland

Über die Webseite des BZSt wird spezifisch für den Staat ein Antrag gestellt, in dem man als Kleinunternehmer tätig werden möchte. Bei positiver Entscheidung des angefragten Ziellandes wird durch das Bundeszentralamt für Steuern eine für dieses Land spezifische Kleinunternehmer-Identifikationsnummer zugewiesen.

Hinweis: Die Erzielung von Umsätzen als Kleinunternehmer in einem EU-Staat ist unabhängig davon, ob man in Deutschland als Regelbesteuerer oder Kleinunternehmer tätig ist.

Beendigung der Steuerbefreiung in einem EU-Mitgliedsstaat

Möchte man die Kleinunternehmerregelung in einem anderen EU-Staat nicht mehr anwenden, muss eine elektronische Meldung an das BZSt erfolgen. Die Steuerbefreiung entfällt dann ab dem nächsten Quartal. Erfolgt die Mitteilung an das BZSt im letzten Monat eines Kalendervierteljahres endet die Steuerbefreiung erst mit dem ersten Tag des zweiten Monats des nächsten Quartals.

Wird die Umsatzgrenze von 100.000 Euro im Gemeinschaftsgebiet überschritten, wird eine Teilnahme am Meldeverfahren automatisch durch das Bundeszentralamt für Steuern beendet und die Kleinunternehmer-Identifikationsnummer deaktiviert.

Pflichten zur fristgerechten Abgabe der Umsatzmeldung

Die Umsatzmeldung über die durch die EU-Kleinunternehmer-Regelung erzielten Jahresumsätze ist vierteljährlich zum Ende des Monats des auf den Ablauf eines Quartals folgenden Monats an das Bundeszentralamt für Steuern zu ermitteln (§ 19a Abs. 1 Nr. 3 UStG).

Umsatzzeitraum Abgabetermin
1. Kalendervierteljahr bis zum 30. April
2. Kalendervierteljahr bis zum 31. Juli
3. Kalendervierteljahr bis zum 31. Oktober
4. Kalendervierteljahr bis zum 31. Januar des Folgejahres

 

Hinweis: Sind in einem Mitgliedsstaat keine Umsätze bewirkt worden, ist trotzdem eine Umsatzmeldung (Nullmeldung) zu den oben genannten Fristen abzugeben.

IV. E-Rechnungspflicht

Für Kleinunternehmer entfällt grundsätzlich die E-Rechnungspflicht für im Inland getätigte Umsätze im B2B-Bereich (vgl. § 34a UStDV). Kleinunternehmer können demnach sonstige Rechnungen auf Papier oder PDF ausstellen. Weiterhin muss jedoch gewährleistet werden, dass E-Rechnungen ab dem 01.01.2025 empfangen werden können. Eine Neuerung ab 2025 ist, dass auf die Steuerbefreiung als Kleinunternehmer im § 19 UStG hingewiesen werden muss. Des Weiteren muss die erteilte KU-IdNr. auf der Rechnung ausgewiesen werden, wenn die Kleinunternehmerregelung in einem EU-Staat angewandt wird.

Für mehr Information gibt es unseren Fachbeitrag zum Thema E-Rechnungspflicht.

V. Fazit

Die EU-Kleinunternehmerregelung bringt wesentliche Erleichterungen, wenn man im europäischen Ausland als Kleinunternehmer tätig werden möchte. Jedoch bedeuten die uneinheitlichen Regelungen zur Kleinunternehmereigenschaft sowie die unterschiedlichen Schwellenwerte der einzelnen Mitgliedsstaaten, dass nun mehrere Anforderungen zu erfüllen sind. Die nationale Umsatzgrenze des Ansässigkeitsstaates, die nationalen Grenzen der übrigen Mitgliedsstaaten sowie die Jahresumsatzgrenze in der EU von 100.000 Euro sind dauerhaft im Blick zu behalten. Dies kann durch ein implementiertes Tax Compliance Management System (TCMS) erreicht werden.

Für den Kleinunternehmer, der ausschließlich im Inland tätig wird, ändert sich – abgesehen von den neuen und höheren Umsatzgrößen – nichts.

Wenn Sie Fragen zur Kleinunternehmerregelung oder zu anderen steuerlichen Themen haben, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf.