Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat am 23.11.2023 in zwei Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) zu den Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass die Vollziehung der dort angegriffenen Grundsteuerwertbescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen ist. Da in Rheinland-Pfalz das sog. Bundesmodell zur Grundsteuer gilt, hat die Entscheidung praktische Relevanz für elf Bundesländer.
Im Gegensatz dazu hat das Sächsische Finanzgericht mit Urteil vom 24.10.2023, Az. 2 K 574/23, in einem Hauptverfahren entschieden, dass die Regelungen des neuen Grundsteuergesetzes sowie die Sächsischen Sonderregelungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte rechtmäßig sind und insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen.
In Rheinland-Pfalz geht es konkret um zwei Einzelfälle, bei denen die Berechnung nach dem Gesetz zu vergleichsweise hohen Grundsteuerwerten führt:
Im ersten Fall ging es um ein weitgehend unrenoviertes Haus aus dem Jahr 1880, bei dem der zuständige Gutachterausschuss einen Bodenrichtwert von 125 Euro pro Quadratmeter festgelegt hatte. Das Finanzamt habe aber den gesetzlich normierten Mietwert für das 351 Quadratmeter große Grundstück angewandt und den Grundsteuerwert auf 91.600 Euro festgesetzt.
Im zweiten Fall hatte ein Gutachterausschuss den Bodenrichtwert für ein Einfamilienhaus von 1977 auf 300 Euro pro Quadratmeter festgesetzt. Die Eigentümer forderten jedoch einen Abschlag von 30 Prozent aufgrund einer ungünstigen Lage und damit verbundenen Nutzungseinschränkungen des Hauses. Das Finanzamt setzte den Grundsteuerwert aber ohne Abschlag auf 318.800 Euro fest.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Grundsteuerreform durch das FG Rheinland-Pfalz nicht als unrechtmäßig oder gar verfassungswidrig qualifiziert wurde, sondern lediglich, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dies zumindest nicht auszuschließen ist.
Im maßgeblichen Anwendungserlass zur Abgabenordung zu § 361 AO, A 2.5 heißt es konkret:
„Zur Aussetzung berechtigende ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken.“
Die aktuellen Entscheidungen der Finanzgerichte markieren aber zumindest den ersten Schritt in einem finanz- und verfassungsgerichtlichen Verfahren zur Grundsteuerreform und stellen die ersten Entscheidungen dar, in der ein Gericht öffentlich die Systematik des Bundesmodells anzweifelt.
Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsfragen haben beide Finanzgerichte die Beschwerde bzw. Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.